Mont Blanc Besteigung 2007



Der Mont Blanc ist mit 4808m so ziemlich der höchste Berg Europas* und als solcher ein begehrtes Ziel von Bergsteigern aus aller Welt. Der Aufstieg wird trotz der Höhe als nicht besonders schwierig eingestuft. Die technischen Schwierigkeiten bewegen sich im II Grad und die Herausforderungen einer Besteigung reduzieren sich - akzeptables Wetter vorausgesetzt - im wesentlichen auf konditionelle Aspekte. Prima, denke ich, das soll mein erster 4000er sein.

Den Traum von den 4808m träume ich schon lange, hab mich aber nicht richtig getraut. Gestählt durch diverse Berichte im Internet, dass die Besteigung eben nicht so schwer sein soll und auch für Sologänger gut machbar, versuche ich im August 2007 mein Glück.

Bei allem Enthusiasmus werde ich jedoch nicht um jeden Preis nach oben streben. Heilbleiben ist mehr wert als Gipfeldasein und falls es zu gefählich werden sollte, werde ich umdrehen.

Alle Fotos sind anklickbar!

*Manche zählen den Kaukasus mit zu Europa, damit wären die 5642m des Elbrus die höchste europäische Erhebung.

Anfahrt

Mit dem Rad komme ich auch diesmal an den Ausgangspunkt aller Anstrengungen. Am Freitag abend entsteige ich in Martigny dem Regionalexpress und radle über Col de Forcalaz (1526m), Trient und Col de Montets (1468m) nach Chamonix und les Houches zur Bergstation der Seilbahn Bellevue auf 1800m.

Ich frage mich, ob ich morgen schon auf dem Gipfel sein könnte, wenn ich früh genug losgehe. Andere starten angeblich schon kurz nach Mitternacht, das ist aber nix für mich, ich kenn ja nicht mal den Weg. So stelle ich den Wecker auf fünf und nächtige aussichtsreich auf der Stations-Terasse.

Start bei Mondschein

Um kurz vor vier schon liege ich hellwach.
Sehr schön.
Ich nutze die Chance zum Sofortstart.

Mondschein, Luftduft, Entdeckungslust, Leichtigkeit und die Hoffnung auf einen gut verlaufenden Gipfelsturm bewegen mich durch die endende Nacht.

Zunächst auf Singletrail, später der Zahnradbahn entlang bis zur Endstation Nid'Aigle (2350m), treffe dort ich auf zwei zusammenpackende Deutsche (die einzigen an diesem Tag). Kurzer Austausch, was habt Ihr heute vor (zur Goûter Hütte), was mache ich (ganz hoch), gibts hier Wasser (nein), Viel Glück!

Im Schilf zur Tete Rousses

Kurz nach Nid'Aigle gibt die Dämmerung die Umgebung frei. Ich stehe im Schilf bzw. weglosen Gelände. Toll. Wo gehts denn nu weiter, links oder recht vom Berg? Wenn ich falsch gehe, wars das wohl mit dem Gipfel für heute. Ich entscheide mich für links. Irgendwann ein Trampelpfad, später tatsächlichder fette Wanderweg zur Tete Rousses.
Puh, fettes Glück!

Die Tete Rousses Hütte liegt auf 3167m und markiert den Beginn des schwierigsten Felsabschnitts der Tour.
Vorbei an einem guten Dutzend Zelten wate ich durchs
erste Schneefeld zur berüchtigten Querung des Grand Couloir...

Grand Couloir


Das Grand Couloir ist eine 600m hohe Hochgeschwindigkeits-Rutschbahn für Steine und unachtsame Bergsteiger. Ich stehe am Rand des Couloirs, lausche und schaue nach oben um herannahende Geschosse auszumachen.

Ein Zischen neben mir.
Pfeilschnell jagt ein Stein zu Tal und trifft nur Schnee.
Mann, war der schnell.

15 Meter breit ist Querung.
15 Meter Gefahr.
Alles still.

Wie ein Schiessbudenhase eile ich zur anderen Seite und bleibe ungetroffen. sehr schön.

Eine Höhenmeter später wird das Gelände schwieriger.
Rechts und links und hinten ist's ganz schön tief.
Komme ich hier wieder heil runter?
Auf 3500m überlge ich mir die Umkehr.
Wo sind eigentlich die ganzen Bergsteigermassen, die sich hier immer tummeln sollen?
Keine S.. weit und breit.
Die Goûter Hütte ist nah und doch noch so fern (300hm).
Ich entscheide mich fürs weitermachen.

Kurze Zeit später beginnen Fixseite den Aufstieg zu sichern.
So komme ich doch noch recht komfortabel an der Goûter Hütte an.

9 Uhr.
Umgeben von internationalem Publikum richte ich mich für den Gipfelsturm.
Rechts ein par Tschechen, ebenfalls beim Aufbruch nach oben,
hier ein par Koreaner beim Schauen am Geländer,
dort ein par Italiener bei der Rückkehr - die sehen ganz schön fertig aus.

Gipfelsturm

Direkt an der Hütte beginnt das Schneefeld bzw. Gletscher.
Zunächst breit und konfortabel, später recht steil führt der Tampelpfad zum Dome de Goûter.
Ich fühle mich schnell, bin am überholen.
Werde ich das noch bereuen?

Die Windstille der Gouter Flanke war trügerisch, inzwischen weht ein ordentliches Stürmchem.
Vorbei an der Valot-Biwakschachtel wird der Pfad schmaler und steiler,
Im Gipfelbereich wird es nur noch ein schmaler Gipfelgrat sein.
Nur nicht zu Seite schauen.

Der Wind wird immer stärker.
Es wird kalt.
Ich brauche vier Minuten um meine Jacke anzuziehen.
Hoffentlich fliegt sie nicht weg.
Das wäre das Ende der Gipfelträume.
Es ist schmal. Es ist kalt. Es ist gefährlich.

Das zweite Mal heute befasse ich mich mit der Umkehr.
Eine Seilschaft wäre schon nicht schlecht.
Wesshalb weht eigentlich der Wind so stark, vorhin war doch noch windstill?
Warum brauche ich so lange um meine Jacke anzuziehen?
Wesshalb bin ich nochmal hier?

Ich gehe weiter.
Bei 4700m kehrt man auch nicht mehr um.
Eine Gruppe Tschechen kommt entgegen, ich weiche auf die Steilflanke aus, den Pickel fest im Firn.
Wir alle vermummt im Sturm.

Ich laufe auf zwei Franzosen auf.
Zum überholen ist es zu schmal.
Immer wieder bleiben sie einfach stehen, weil sie nicht mehr können.
Wie muss das nur sein, wenn richtig viel los ist...

Irgendwie plötzlich flacht der Grat ab und wird breiter.
Sind wir oben?
Wir sind oben!



Freude, Gratualtion, Handshake, Fotos.
Ein kurzer Moment des Glücks.

Abstiegswahn


Jetzt nur nicht zu euphorisch.
Sicher runterkommen heist die Devise.
Gebeugt wie eine Oma um den Schwerpunkt tief zu halten wate ich den Grat hinab.
Links, rechts, Steigeisen, lins, rechts, Steigeisen...
Langsam, langsam, sicher taste ich mich hinab.
Es geht gut.
Nur nicht zur Seite schauen.

Irgendwann sind die Bosses überwunden, der Grat breiter, die Valothütten vor mir.
Die Konzentrations-spannung lässt nach, sofort beginne ich zu taumeln.
Der Körper kann nicht mehr selbst geradeaus gehen.
Der subjektiv sichere Abstieg war reines Adrenalin!

Ich reisse mich wieder zusammen, und schlurfe zur Goûter Hütte.
Rechts und links traumhafte Ausblicke, jetzt sehe ich sie - und sammle Pixel.

Die Goûter Hütte - Hurra!
Lächelnd lege ich die 7 Euro für den Liter Tee hin und lass es mir gut gehen.
Ich bin ganz schön fertig.

Goûter Flanke


Wie komme ich jetzt eigentlich die steile Felsroute runter?
Ich stehe am Geländer und schaue mir mein Vorhaben an.
An die hundert Bersteigerinnen und Bergsteiger befinden sich in den 700hm!
Die angekündigten Massen eines Samstages.

Ein paar Helden hangeln sich dilletantisch am Seil hinab.
Das kann ich auch.
Ich will ja nicht in Schönheit sterben.

Wird schon gehen.
Schliesslich folge ich einem Koreaner-Pärchen hinab.
Die zwei sind gut und ich folge Ihren Tritten und Griffen.
Viele kommen entgegen, jedoch ist es halb so schlimm wie befürchtet.
Plötzlich bin ich am Ende des gefährlichen Abschnitts und wate durch das Tete-Rousse Schneefeld in sicheres Gelände.
Hurra!

Der Rest ist reine Pflichtübung, schön ists trotzdem.
Um halb acht bin ich zurück am Bellevue.
Die Goûter Flanke leuchtet im Abendrot.

Heimfahrt



Nach einer sauerstoffreichen Schlafsacknacht in les Houches beende ich die Tour standesgemäss radelnd nach Martigny.
Der Mont Blanc begleitet mich.

Links

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